Segeln am Chiemsee: Das Windopfer vom „Lindchen-Cup“

Großer Segelsaison-Abschluss der Chiemseeplätten
Pünktlich zum Herbst kehrt der Sommer zurück – Zeit aufzubrechen zur großartigen Regatta „Lindchen-Cup“ auf der Fraueninsel.
Um zur Regatta auf die Insel zu kommen mache ich frühmorgens unsere Chiemseeplätte flott. Vom Ostufer aus kann ich die acht Kilometer bei leichter Brise in eineinhalb Stunden überqueren. Doch der Morgennebel schluckt bald jede Sicht und ich orientiere mich nach Sonnenstand und Windrichtung. Unheimlich ist es, ganz allein auf der Seeweite im undurchdringlich dicken Dunst. Was wenn … pah! Ich bin ja nicht abergläubisch. Oder? Lange gleite ich durch die Nebelschleier, da taucht endlich Frauenwörth vor mir auf.
Stärkendes Frühstück wartet in Form von Ente mit Knödel und Blaukraut im Inselhotel „Zur Linde“, wo sich alle Teilnehmer der größten „Chiemseeplätten“-Regatta (diesem urigen lokalen Segelbootstyp) einfinden. Aus allen Richtungen sind sie herangeschippert, 48 „Plätten“ und acht „Schrazen“ – eine stolze Flotte! Kaum hat der Regattaleiter seine Erläuterungen beendet, lässt der Lindenwirt das Essen auftragen. Ehrgeizige Skipper geizen ja auch am mitfahrenden Ballast, doch gegessen wird reichlich und ein Weißbier genügt nicht jedem.
Heiter geht es zum Hafen und hinaus aufs Wasser. Ich fahre in Fotomission auf einem Begleitboot mit. Meine Plätte übernimmt heute Freund Wasti.
3. Oktober, die Sonne strahlt, es ist sommerlich warm – aber mehr Wind dürfte sein
Im Begleitboot ist auch der Neffe des Bootsführers, Carlos, Musiker, zu Besuch aus Kolumbien. Er spielt für uns Gitarre – und wie! Blues, Funk- und Soul-Nummern, viel zum Mitsingen und -Schnippen, was ihn wiederum begeistert.
Auf dem See heißt es: Warten! Der Wind flaut ab und dreht. So kann man freilich keinen Regattakurs auslegen. Wir verkürzen die Zeit mit Jammen, etliche Boote legen bei uns an, die Gitarre macht die Runde, es wird getrommelt. „Ein bisschen Woodstock“, wie Frauke später sagt. Jo!
- Flaute – der Wind dürfte mehr sein
- Musik an Bord zum Zeitvertreib
- Kein Wind auf dem Chiemsee
Vor Chieming, weit drüben am Ostufer, herrscht thermischer Wind, der es aber nicht bis zu uns in die Seemitte schafft. Das Feld dorthin zu verlegen würde zu lange dauern, meint Charly von der Wettfahrtleitung. Wird etwa abgebrochen?
Ich schlage dem Veranstalter, der eben herantreibt, vor, ein „Opfer“ zu bringen. Er lacht, „Schaugts amoi in der Bootsbank, da muass a Flaschn sei!“ Ein edler Obstbrand, Lindenwirts Notration, macht die Runde und nach jedem Schluck geht ein weiterer direkt ins Wasser. Die selige Irmingard von Frauenwörth und Bedaius, der antike Seegott, werden gelabt. Ob´s hilft?
Der Wind – er kommt!
Da, nach einer Viertelstunde sehen wir östlich einen dunklen Strich über die Wasseroberfläche auf uns zu wandern. Unglaublich! Der Wind – er kommt!
Erleichterung nach stundenlanger Flaute – schnell wird der Dreieckskurs mit Bojen ausgelegt, dann fällt der Startschuss. 2–3 Windstärken sind ideal für die Plätten, und in der hochkonzentrierten Spannung denkt keiner mehr an etwas anderes, als an den sportlichen Wettkampf. Es wird ein heißes Turnier, bei dem sich die Teilnehmer nichts schenken. Die beiden Favoriten Hösch und Huber kämpfen auf der Ziellinie um jeden Zentimeter. Was für ein Lauf!
- Nach stundenlanger Flaute kam endlich der Wind
- Zwei bis drei Windstärken sind ideal für die Plätten
- Hochkonzentrierte Spannung beim jüngsten Teilnehmer (12)
Abends in der „Linde“ werden Wirt und Sieger geehrt. Jubel, Klatschen und Feiern, Musik, Essen, Gespräche, Witze und Geschichten … es ist wie im „Bayrischen Paradies“. Ich frage den Veranstalter, „Das hat wunderbar geklappt mit dem Opfertrank, oder?“ Er schmunzelt „Ja stimmt!“ Ich denke, dass auch er unser Windopfer so schnell nicht vergessen wird.
Die letzten Gäste werden gegen Mitternacht ans Gstadter Ufer übergesetzt. Ich jedoch habe eine hübsche Schlafkammer beim Lanzinger klargemacht, liege noch ein Weilchen wach und lausche durchs offene Fenster wie die Chiemseewellen rauschen.
Bis zum nächsten Mal, Euer
Kaiman
(Kai Schaufler, www.chiemseebild.de)

Tipp
Über die Chiemseeplätte erfahren Sie vieles im großen Themen-Kalender „Chiemseeplätte 2015“ auf www.chiemseebild.de und auf der Website www.chiemseeplaette.info.