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Tanzende Kinder, Oldtimer-Traktoren und Ochsenfetzensemmeln
Bayerisches Bergdorf, Frühsommer, Blattgrün, Leichtigkeit. Soweit die Szenerie für die traditionelle Inzeller Pfingstroas. Dort begegnen dir Frauen in fescher Tracht und himmelblauer Schürze, Buben tragen Lederhosen. Du findest dich wieder in Gastgärten, die typisch regionale Kost servieren und immer wieder überholen dich mit Blumenschmuck verzierte nostalgische Traktoren ...
Ursprünglich waren es Franken, Schwaben, Pfälzer und Bayern, die 1806 bei der Königreichsgründung zusammengewürfelt wurden. Aus den mitgebrachten Kulturen entstand die heutige Vielfalt in Bayern. So findet sich in quasi jedem Dorf ein Schützenverein, eine Musikkapelle – die „Musi“ – und ein Trachtenverein. Sie alle hegen und pflegen ihre Bräuche und Feste. Am Pfingstsonntag lässt sich das in Inzell miterleben. Zwei Brauchtumsexpertinnen, Hildegard Jung, Gründerin der „Pfingstroas“, und Susanne Schwarz, Vorständin und Kindergruppenleiterin des Inzeller Trachtenvereins, verraten uns, worum es sich dabei handelt.
Lederhose bei den Männern und Dirndlgwand bei den Frauen: So sieht die oberbayerische Gebirgstracht, die bekannteste Tracht der Bayern, aus. Trachtenvereine pflegen das Fortbestehen des Traditionsgewandes im jeweiligen regionalen Stil. Susanne Schwarz vom Inzeller Trachtenverein führt bei der Pfingstroas ihr mintgrünes Leinendirndl aus. Zu besonderen Anlässen, vor allem kirchlichen Ursprungs, ziehe man die Vereinstracht an, im Alltag oft nur ein Dirndl oder eine reduzierte Form der Tracht, erklärt Susanne. Ihre Augen leuchten, wenn sie von den Kindern erzählt, die voller Elan mittanzen, singen und sich in „trachtige Schale“ werfen. „Meine Kinder sind bei den Trachtlern, weil das bei uns Familientradition ist. Aber wir haben auch viele Jugendliche im Verein, die von sich aus ein Interesse entwickeln. Die auch so ein schönes Dirndl oder eine Lederhose anziehen und in der Gemeinschaft sein möchten. Man darf auftreten, tanzen, es wird applaudiert“, berichtet sie über die Nachwuchsarbeit im Verein. Wie aufs Stichwort kommen ihre beiden Kinder in kakaobraun-weißer Tracht angelaufen. Auf ihren smaragdgrünen Filzhüten stecken frische Pfingstrosen.
Ein wichtiger Aspekt bei Trachtenvereinen ist das Tanzen, erfahren wir von der Expertin. Beim Verein „D’Falkastoaner Inzell“ platteln die Buben und tanzen die Mädchen den „Weber“ oder die „Sternpolka“ und singen dazu. Heute treten ihre Schützlinge bei der Pfingstroas auf. Wenn die Mädchen den Buben den kleinen Finger reichen und kurz darauf ihre eingeübten Schritte aufs Parkett legen, und das in ihrer aufwändigen, schmückenden Tracht, sieht man rote Backen bei den Kindern und ringsum verzückte Gesichter bei den Besuchern des Dorffestes. Ein solches Schauspiel erlebt man nicht alle Tage.
Auch sonst treten die Kinder regelmäßig in Wirtshäusern, beim „Heimatabend“ und bei kirchlichen Festen auf. „Tracht hat viel mit der Kirche zu tun. In der Nachwuchsarbeit ist es wichtig, das den Kindern zu vermitteln und ihnen zu zeigen, dass es eine Ehre ist, im Festgewand aufzutreten anstatt in Sneakers und Jeans“, betont Susanne.
„Echt Boarisches“ lässt sich in Inzell auch in Form von Musik erleben: Die Palette reicht von bayerischer Stubenmusik mit alten Texten über viel Instrumentales bis hin zu Oberkrainermusik und fetzig Bodenständigem, bei dem das Tanzbein kaum zu halten ist. Viele Zusammenschlüsse von Musikanten sind aus dem Inzeller Trachtenverein heraus entstanden. Die alte bayerische Liedkunst und die spezielle Kombination der Instrumente wird seit etlichen Generationen an den Nachwuchs weitergegeben. Bei der Pfingstroas spielen rund zwanzig Musikgruppen auf – und wie lauscht man den Klängen von Trompete, Hackbrett und Quetschn am besten? Richtig, mit Köstlichkeiten und Schmankerln der regionalen Wirte auf dem Teller: Steckerlfisch, Knödeltrio, die Inzeller Spezialität „Ochsenfetzensemmeln“, Bauernkrapfen, die von Bäuerinnen in einem beeindruckenden Zusammenspiel live herausgebacken werden oder gegrillte Pfingstochsen. Bei der Pfingstroas lernt man die Inzeller Küche von ihrer schönsten Seite kennen.
Viele Trachtenverbände lassen die Kinder- und Jugendtracht von einer Schneiderin in Original-Verarbeitung herstellen. Lederhosen nähen in der Regel spezialisierte Lederhosenmacher, die noch das alte Handwerk beherrschen. Nicht wegzudenkendes Accessoire der bayerischen Tracht ist der Gamsbart, ein aus dunklen Gamsbockhaaren geschnürter Hutschmuck, der heute am Pfingstsonntag das Haupt vieler Männer und sogar mancher Frau schmückt. Wir haben Gelegenheit, einem Wildhaarbartbinder bei seiner hohen Kunst über die Schulter zu schauen: „Die Rückenhaare von ein bis zehn erwachsenen Gamsböcken braucht es für ein Stück“, erfahren wir. Ein Ranzenbinder bestickt den Ranzen, also den Trachtengürtel, ein Schmid beschlägt Rösser nach althergebrachter Methode. Sogar einem Rechenmacher kann man bei seinem Tun beiwohnen.
Der Traktor ist ein wichtiges Symbol für die Landwirtschaft, die seit Jahrhunderten eine Säule Bayerns ist. Dass die Inzeller Bauern und Bäuerinnen stolz auf ihre Zunft sind, zeigt die jährliche Bulldog-Rundreise, die seit Beginn an fixer Bestandteil der Pfingstroas war. Der Inzeller Verein »Oid Traggei Freind« begrüßt dabei Gleichgesinnte, die vor allem aus südostbayerischen Orten, aber teilweise auch von weiter her auf ihren antiken Bulldogs, Zweirädern und Unimogs angereist kommen. „Wie die kleinen Kinder freuen sich die Mitglieder des alten Traktorvereins jedes Jahr auf die Pfingstroas“, erzählt Hildegard, „Da kranzen sie ihre alten ‚Traggein‘ auf wie Schmuckstücke und fahren durch den Ort.“ Tatsächlich ist es ein beeindruckendes Schauspiel, das sich dem Besucher bietet: auf Hochglanz polierte Oldtimer, prächtiger Blumenschmuck und nicht selten Lenker und Beifahrer, die sich selbst passend zu ihrem Oldtimer geschmückt haben.