„Ich bin dann mal weg – schön wärs!“ Bei diesem Gedanken sitze ich im Büro und träume von einer kleinen Auszeit. Raus aus dem Alltagstrott, einfach weg von dem eingeschränkten Gesichtsfeld am Computer. Beim Blick aus meinem Bürofenster sehe ich die verlockenden Gipfel ganz nah und freue mich schon auf meinen nächsten freien Tag – ich lehne mich zurück, schließe die Augen und träume von einem Tag auf der Alm. Ich atme tief ein.
Beim Ausatmen ist das Büro weit, ganz weit weg. Ich öffne die Augen und sehe weiß-blauen, bayerischen Bilderbuch-Himmel. Leises Glockengebimmel von der etwas entfernt grasenden Kuhherde lullt mich ein. Auf der Zunge zergeht der frisch-herbe Geschmack des Almkäses, den ich gerade hier auf der Piesenhausener Hochalm kosten durfte. Mein Wunsch nach einer Auszeit hat mich wieder einmal hierhergeführt. Genuss in mannigfaltiger Form, der steht hier oben hoch im Kurs: Zum einen kulinarische Köstlichkeiten auf der gemütlichen Holz-Terrasse, die gegenüber der Hochplatte liegt. Zwischen Chiemsee und Kaisergebirge thront die Piesenhausener Hochalm fast wie ein Grenzhäuschen zwischen den Gebirgskämmen und bietet zum anderen auch dem Auge (fast) grenzenlose Genüsse.
Gemütliche, authentische Almen mit regionalen Leckerbissen gehören für mich und viele andere Wanderer genauso zu einer Bergtour wie ein Gipfel. Für manchen sind sie oft sogar das eigentliche Ziel. Kein Wunder, denn im Chiemgau locken viele authentische Kaser, die mit ihrer ursprünglichen Einfachheit und regionalen, oft sogar selbstgemachten Produkten bestechen. Seit jeher betreibt zum Beispiel die traditionsverbundene Familie Aigner den Naderbauernhof, zu dem die Alm hier oben auf 1360 Metern gehört. Wie viele Generationen es mittlerweile sind, das vermag Anderl Aigner gar nicht genau zu sagen, schließlich leben allein jetzt vier Jahrgänge zusammen unter dem Dach der Landwirtschaft im Tal.
In ihrer heutigen Form existiert die Alm hier heroben seit 20 Jahren. Anderl, der gelernte Zimmerer und Almwirt mit Leidenschaft, hat sie neu aufgebaut und an die modernen Vorschriften angepasst. Neben den drei wohlgenährten und zufrieden vor sich hin grunzenden „Almferkeln“ und den etwa 50 Stück Jungvieh, die hier im Sommer würzige Almwiesen zum Beweiden vorfinden, werden noch drei Milchkühe auf der Hochalm gehalten. Ein Sennerpaar, das den ganzen Sommer oben auf der Alm verbringt, stellt aus der täglich frisch gemolkenen Milch Käse nach altem Hausrezept her.